Funktioniert INSCYD wirklich?
Blick auf die wissenschaftliche Validierung
Die Leistungsdiagnostik von INSCYD verspricht, ohne klassische Labormethoden wie Laktatmessung oder Spiroergometrie auszukommen. Da stellt sich natürlich die Frage: "Kann man wirklich die entscheidenden Leistungsparameter wie VO2max oder die Laktatbildungsrate messen, ohne ins Labor zu gehen?"
Die kurze Antwort: Ja, man kann. Die lange Antwort: Es gibt inzwischen einige Untersuchungen, die die Genauigkeit des INSCYD Power Performance Decoder (PPD) belegen. In diesem Artikel fasse ich den aktuellen Stand der Validierung zusammen.

Was macht INSCYD besonders?
Statt Labormessungen (Spiroergometrie, Laktatdiagnostik) braucht INSCYD nur drei Leistungsdaten:
- Einen 20s Sprint (sitzend, ohne Schalten)
- Einen 5-Minuten-VO2Max-Test
- Einen 12-Minuten-Schwellentest
- Plus: Körpergewicht & Körperwasseranteil (z. B. via Garmin-Waage)
Aus diesen Daten werden per mathematischem Modell Werte wie VO2max, VLamax, FatMax oder der Lactate Clearance Point berechnet.
Was sagt die Forschung?
1. Vergleich mit Labordaten (Tero Joutsen / KIHU Finnland)
Ein direkter Vergleich von PPD-Ergebnissen mit einem klassischen Labortest ergab:
- VO2max: PPD = 61,96 vs. Labor = 60,5 ml/kg/min
- FTP (MLSS): PPD = 292 W vs. Labor = 284 W
- Fett- und Kohlenhydratverbrauch nahezu identisch
"The fat and carbohydrate curves were basically identical." – Tero Joutsen
➞ Link zur Quelle
Bemerkung: Die Untersuchung wird von Seiten INSCYD veröffentlicht, d.h. hier hat keine unabhängige wissenschaftliche Studie mit Peer-Review usw. stattgefunden.
2. Peer-reviewed Studie: PMLSS aus VO2max und VLamax
Eine aktuelle Studie (Poffé et al., 2024) zeigt:
- PMLSS per INSCYD weicht im Mittel nur um 4,6 W vom Labormittel ab
- Korrelation r ≈ 0,99 mit der Laktatkurve aus klassischen Tests
Bermerkung: In der Studie wird offengelegt, dass der Autor auch als Consultant für INSCYD arbeitet, versichert aber, dass die Untersuchung unabhängig abgelaufen ist.
3. INSCYD beim Laufen (PPD-R)
Auch mit GPS- und Laufdaten funktioniert der Ansatz gut:
- VO2max: R² = 0,96
- VLamax: R² = 0,84
- FatMax: R² = 0,89
Bermerkung: Das hier nur zur Ergänzung, das Thema "Laufen" interessiert mich nicht weiter.
4. Weitere Studien (ResearchGate)
Eine kleinere Untersuchung mit 11 Radsportler:innen fand:
- Abweichung VO2max: +0,13 ml/kg/min
- Abweichung MLSS: +2 W
Und die Schwächen?
Natürlich gibt es auch Einschränkungen:
- Die Genauigkeit hängt stark von der Qualität der Testdaten ab (Powermeter, BIA-Waage, Testdurchführung).
- VLamax & FatMax sind modellbasierte Schätzwert, keine Blutmessungen.
- Die Studienlage ist gut, aber die meisten Studien stammen aus dem INSCYD-Umfeld oder sind (noch) nicht peer-reviewed.
Fazit
Die wissenschaftliche Evidenz zeigt: INSCYD liefert verlässliche Ergebnisse, wenn die Tests sauber durchgeführt werden. Für ambitionierte Hobbyfahrer:innen ist das System eine kostengünstige und praxistaugliche Alternative zur klassischen Leistungsdiagnostik im Labor.
Vor allem: Die Schätzung von FTP und VO2Max ist mittlerweile state-of-the-art und wird bei Strava, intervals.icu und Zwift eingesetzt. Daher verwende ich für FTP und VO2Max die Werte aus intervals.icu statt aus der INSCYD Software, um eine Abhängigkeit von INSCYD zu vermeiden und vor allem konsistent zu bleiben.
Was INSCYD hier zusätzlich liefert - und das ist das Geschäftskonzept - ist eine Schätzung der Laktatbildungsrate (VLamax) und vor allem eine komplette Abbildung des Stoffwechsels, wie es aus einer guten Labordiagnostik raus kommt.
Die Software hat eine "Audit"-Funktion, mit der die Werte mit einer Regressionsgeraden auf Plausibilität geprüft werden. So funktioniert die Kombination recht gut nach meiner Erfahrung.
Was für Profis wie Primož Roglič oder Wout van Aert funktioniert, funktioniert auch für uns Breitensportler:innen – sofern man weiß, wie man die Daten richtig erhebt und nutzt.